Saturday, February 07, 2009

Bağdat Caddesi

Die Bağdat Caddesi ist eine sehr lange Straße, die in Fenerbahçe beginnt und in Kartal – sehr viel weiter südlich – endet. Sie verläuft auf der asiatischen Seite immer mehr oder weniger parallel zur Marmara-Küste. Früher war sie einmal eine wichtige Verbindungsstraße, die eben von der Hauptstadt des Osmanischen Reiches in Richtung Bagdad, einer anderen wichtigen osmanischen Stadt führte. In dieser Gegend (vor allem in Richtung Küste) wohnten viele wohlhabende Familien, meist Armenier, Levantiner, Griechen oder Juden. Weil aber seit der Republikgründung versucht wurde, die Türkei als ethnisch und religiös einheitlich zu definieren, war nur noch wenig Platz für nichtmuslimische Minderheiten. Seit 1942 wurde für sie eine Vermögenssteuer eingeführt, die einer Enteignung gleichkam. Die Pogrome von 1955 taten dann ein Übriges, die meisten verbleibenden Nichtmuslime aus der Türkei zu verjagen.



Von der alten Pracht ist nur wenig erhalten; einige teils verfallene, teils wieder restaurierte Konaks (prächtige Holzhäuser) sind Zeugen vergangener Tage. Heute ist die Bağdat Caddesi eine Einkaufsstraße, die in dem Ruf steht, sehr viel hochpreisige, aber vor allem westliche Läden zu beherbergen. So zeigt sich zum Beispiel ein Modeladen im alten Konak prächtig, aber auch eine Moschee ist zwischen den Geschäften und Wohnhäusern zu finden.



Ich musste bei meinem Besuch allerdings feststellen, dass die Berichte über das Niveau der Geschäfte teilweise ein wenig übertreiben (jedenfalls was das Straßenstück betrifft, in dem ich herumgelaufen bin). Denn es gibt jede Menge Gap und Zara-Läden, die zwar teuer aussehende selbst gebaute Häuser haben, aber letztlich eben doch das durchschnittliche Fußgängerzonen-Angebot bieten. Klar gibt es dann auch noch hochpreisige Läden, die dann auch architektonisch versuchen, sich nach vorne zu drängen, wie das etwa Burberrys tut. (Aber was Burberrys kann, kann das Florence Nightingale Krankenhaus auch.)



Aber auch die Ankündigung, hier gäbe es nur sehr teure Cafés, konnte ich nicht ganz nachvollziehen. Denn neben dem unvermeidlichen Starbucks gibt es auch weitere Kaffeehausketten, die zwar einen teureren Kaffee anbieten als, sagen wir, mein Lieblingsgetränkestand am Bosporus. Aber auch wenn der Tee das drei- oder vierfache kostet, liegt das noch voll im Budget eines türkischen Mittelklassehaushalts, der keinen Porsche Cayenne fährt. Wenn man jedenfalls den Europa-Asien-Vergleich bemüht – der zugegebenermaßen sehr häufig hinkt – kann man hier konstatieren, dass an dieser Stelle weder Europa aufhört noch Anatolien (gleichbedeutend mit DEM Orient) beginnt. Vielmehr trifft sich hier das globalisierte Kapital in fröhlicher Shoppinglaune.



An der Bağdat Caddesi wird auch weiterhin gebaut, was meist bedeutet, dass die Neubauten wesentlich höher sind als der Bestand. Im Durchschnitt findet man hier vierstöckige Häuser, im näheren Umfeld ist aber manchmal auch auf bis zu 20 Stockwerken erhöht worden, was natürlich für die BewohnerInnen der oberen Etagen mit einem herrlichen Blick verbunden sein dürfte. Blöd ist nur, wenn dann der Nachbar noch höher baut. An dem Plakat ist allerdings etwas sonderbar, dass die neuen Häuser offensichtlich voll im Grünen stehen. Die Grafik hat wohl vergessen, dass ringsum natürlich eng gebaut ist.


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